Leseprobe
1
Die Welt bleibt kurz stehen
März 1946, 20 Uhr, meine Geburt als Sonntagskind. Die Welt dreht weiter, dreht sie sich um mich, um Theodor Augustin, das kleine „Thedorli Biobli“.
Im sehr alten Bauernhaus (1653) darf ich wachsen und gedeihen.
Kindheitserinnerungen
Als Dreijähriger sind unsere 50 Hühner gleich gross wie ich. Mit ihren grossen Augen flössen sie mir Angst ein. Aber wir freunden uns an. Später lerne ich das Federvie fliegen. Ich denke heute noch, es gab nie glücklichere Hühner!
Dädi rasiert sich am Brunnen vor der Scheune. Das ganze Gesicht ist weiss maskiert, das sieht so lustig aus. Er zieht Furche um Furche über die Backen. Oft gibt’s, vor allem im Winter wegen den klammen Fingern eine kleine Blutspur vom falsch angewinkelten Rasiermesser.
Mutti gibt mir Extrakost, weil ich zu leicht und mager bin. Mutti will ein gesundes Kind und Dädi einen starken Sohn.
Die Grossmutter sitzt am Kachelofen im Stübli und strickt. Ich stecke ihr Hühnerfedern ins Haar und stehle aus ihrer Schlafzimmerkommode schwarze Schokolade. Sie schimpft nie. Sie sagt, dass sie langsam in den Boden hineinwachse. So also ist Sterben. Den Grossvater habe ich als Zweijähriger nicht bewusst wahrgenommen.
Fortsetzung folgt